Zu den Referentenwahlen im Juni 2001

Grundsätzlich:

Referenten lenken Teile der Stadtverwaltung und sind damit in ihrem Bereich oft mächtiger als einzelne Stadträte und Fraktionen. Als ausführender Arm haben sie großen Einfluß, und gerade deshalb sollten Sie möglichst unbeeinflusst von parteipolitischen Denken sein. Da sie nicht durch die Bevölkerung wählbar sind, ist es Aufgabe des gesamten Stadtrates, Personen für diese Ämter zu finden, die unabhängig und kompetent gleichermaßen sind. Dieser Weg wird heute nicht beschritten. Die drei-Stimmen Mehrheit hat schon vor Wochen bestimmt, wer Referent wird, und macht die Wahl damit zur Farce. Der Wahl gehen deshalb logischerweise keine Beratungen voran, da man auf das Urteil der restlichen 31 Stadträte meint verzichten zu können. Gleichzeitig verzichtet man auf eine öffentliche Präsentation der Kandidaten. Gerade weil die Referenten ausschließlich von den gewählten Stadträten bestimmt werden, wäre es unsere Pflicht, öffentliche Hearings zu veranstalten und die Meinung der jeweiligen Fachleute aus der Bevölkerung zu hören und in die Entscheidung miteinzubeziehen. Daß keinerlei öffentliche Diskussion mit Bewerbern zustande kam, zeigt, daß die Entscheidung hinter verschlossenen Türen eine zutiefst undemokratische ist. So schreibt das Nürnberger Bildungsbündnis zur anstehenden Wahl des Schulreferenten: „Wir hätten uns eine breitere Diskussion in der Öffentlichkeit gewünscht, weil sich diese sehr wohl dafür interessiert, wer in der Stadt welche Verantwortung hat. Diese Öffentlichkeit wurde jedoch leider nicht hergestellt".

Zur Bestimmung der Kandidaten durch die sogenannte bürgerliche Mehrheit:

Die CSU als größte Fraktion ist 1996 damit angetreten, die Fehler der bis dahin größten Fraktion, der SPD, nicht zu wiederholen. Ich zitiere Klemens Gsell 1996: „Es war bislang Auffassung der CSU und wird es auch künftig sein, daß der Stadtrat ein Selbstverwaltungsgremium ist, in dem die schwarz/weiß – Trennung in Regierung und Opposition keinen Platz hat. Es wird daher künftig zwar sehr häufig unterschiedliche Ansätze und Lösungsvorschläge und entsprechende Debatten geben, eine Ausgrenzung von ca. 40 Prozent der Wähler, wie in der Vergangenheit, streben wir jedoch nicht an." Zwei Jahre später, 1998 bei der Wiederwahl von Frau Mielenz als Sozialreferentin, erklärt der Fraktionsvorsitzende der CSU: „Damit erfüllen wir auch eines unserer Versprechen, was ich in der konstituierenden Sitzung des Stadtrates auch bereits angedeutet habe, daß wir nach Fachkompetenz und nicht nur über die Parteibrille entscheidend, für die Referentenbank hier Wahlen treffen." Heute werden kompetente Referenten abgewählt, weil sie nicht das Parteibuch der CSU besitzen oder Mitglied der Freien Wähler sind und ersetzt durch Bewerber, die entweder genau dieses besitzen oder wenigstens schon unter einer CSU-Mehrheit gearbeitet haben. Ihr weiteres verbindendes Merkmal ist, daß sie alle fränkisch sprechen können. Auch die früheren Reden der CSU, daß auch bei den Häuptlingen eingespart werden muß, nicht nur bei den Indianern, wird durch die Schaffung eines weiteren Referats konterkariert.

Zur Wiederwahl von Dr. Fleck:

Ich habe 1996 Dr. Fleck meine Stimme gegeben, weil ich damals nicht bereit war, das unwürdige Gehacke und Sich-einer-Lösung-Verweigern, welches im Vorfeld der Wahl im Rat herrschte, mitzutragen. Meine persönliche Einschätzung war, daß Dr. Fleck die Aufgabenfelder des Wirtschaftreferenten bis auf das frisch dem Referat zugeschlagene Ressort Verkehr beherrschen kann. Dies hat sich auch im großen und Ganzen für mich bestätigt. Daß mein damaliger Versuch, jenseits der Parteienbrille zu entscheiden - und jeder von ihnen weiß durch mein Abstimmungsverhalten, daß ich die politische Zielvorstellungen der CSU nur sehr selten mittrage - heute von der sog. bürgerlichen Mehrheit konterkariert wird, schmerzt mich sehr. Hier wird heute der Fehler begangen, eine Referentenriege zu bestimmen, die von 2002 bis 2008 die Geschicke der Stadt Nürnberg leiten soll, ohne zu wissen, ob die Stadträte, welche ab kommenden Jahr hier im Rat sitzen werden, mit diesen zusammenarbeiten können. Das Gegenteil hätte passieren müssen, nämlich die Entscheidung über die zur Wahl anstehenden Referate dem im kommenden März gewählten Stadträten zu überlassen. Ich bin deshalb nicht bereit, in einer Wahlperiode denselben Referenten ein zweites Mal zu wählen und werde meine weiteren Stimmabgaben heute vor der jeweiligen Wahl begründen.

Stephan Grosse – Grollmann, Stadtrat Die Guten, auf der Stadtratssitzung am 27.6.2001